Stadtteilmagazin für Osdorf und Umgebung
Margot Reinig, seit 2004 Leiterin des KL!CK Kindermuseums in Osdorf, hat ihre Tätigkeit im Kindermuseum beendet und wird demnächst mit einem großen Fest verabschiedet. Über Entstehung, Entwicklung und Konzept des Kindermuseums sprach mit ihr Frieder Bachteler.
Margot, wir alle kennen dich seit über 20 Jahren als Leiterin des Kin-
dermuseums, aber was bist du eigentlich von Beruf?
Ich habe zwei Berufe. Ich bin Elek-
tromechanikerin, dafür habe ich einen Gesellenbrief; ich habe an der Hobelmaschine gearbeitet und an der Drehbank. Das hat mir später eine ganze Menge geholfen, wenn wir mit den Kindern gebaut haben – und auch den Handwerkern gegenüber … In diesem Beruf habe ich bei Airbus Industries sieben Jahre gearbeitet – Flugzeuge verdrahtet, weshalb ich auch Flugzeugen sehr vertraue, weil ich weiß, wie penibel die Sicherheitsmaßnahmen sind.
Später habe ich Diplom-Pädagogik studiert, das spielt natürlich im Kindermuseum eine große Rolle. Damals hatte ich schon Kinder und für die einen Kindergarten gegründet, das war auch nötig, denn die staatlichen Kindergärten waren zu der Zeit schrecklich. Dieses Studium habe ich sehr gerne gemacht, obwohl ich meine drei Kinder hatte und auch noch mit einem Nebenjob Geld verdienen musste.
Du wusstest also schon vor deinem Studium, dass du ein Kindermuseum machen wolltest. Woher kam diese Idee?
Ich hatte, wie gesagt, den Kindergarten gegründet, mich mit Pädagogik beschäftigt und gemerkt: Das ist ein Thema für mich. Dann habe ich Geld geerbt, das wollten wir nicht einfach “verplempern“. Wir sind damit drei Monate mit dem Wohnmobil durch Amerika gefahren; die Kinder haben wir mit Erlaubnis der Lehrer so lange aus der Schule genommen.
In Amerika gibt es schon seit über hundert Jahren Kindermuseen. Und wenn dann irgendwo steht „Kid’s Museum“, geht man mit drei Kindern natürlich da rein. Dort habe ich dieses „hands-on“-Prinzip kennengelernt und dachte: Ja, das braucht Hamburg auch. Ich habe in der pädagogischen Szene herumgefragt, was es schon gibt. Wolfgang Zacharias hat in München eine Tagung organisiert, zu der aus vielen Städten Leute angereist kamen, die dieselbe Idee hatten – in der Regel aus Amerika. Inzwischen ist Deutschland das Land, das mit Abstand die meisten Kindermuseen vorzeigen kann – unser Bundesverband hat 42 Mitglieder!
Wie habt ihr eure Ideen dann umgesetzt?
Wir haben hier einen Verein gegründet und angefangen, Ausstellungen zu organisieren. Wir wollten es ausprobieren und unseren eigenen Stil finden. Hier in Deutschland ist jedes Kindermuseum anders, sowohl von den Themen her als auch in der Herangehensweise. Wir konnten drei Jahre hintereinander Ausstellungen in der Finanzbehörde machen; unsere erste Ausstellung dort hieß „100 Jahre Kino“. Wir hatten auch eine Popcorn-Maschine, und die Finanzbeamten haben sich gerne Popcorn bei uns geholt. Die zweite Ausstellung hatte das Thema „Geld“, denn in der Finanzbehörde stand noch ein wunderschöner alter Tresor, der die Kinder sehr interessierte.
Ich finde, das ist ein Kinderthema, denn Geld spielt in vielen Familien eine große Rolle: „Können wir uns das leisten oder nicht?“ Das Thema bietet auch viel Geschichte und viel Internationales, zum Beispiel: Was drucken die verschiedenen Länder auf ihre Geldscheine und warum? Wir zeigen diese Ausstellung immer noch; schade ist aber, dass die Lehrer sie wenig „buchen“ – weil das kein Thema der Schule ist.
Mit welchem pädagogischen Kon-zept habt ihr das Kindermuseum aufgebaut?
Wir gehen davon aus, dass Lernen eines der größten Vergnügen der Menschen ist. Wenn wir etwas gelernt haben, etwas können, macht uns das glücklich. Um sich ein Bild von der Welt zu machen, muss man viel wissen, auch Dinge, die man nicht in der Schule lernt. Dabei geht es nicht um Auswendiglernen, nicht um formale Bildung. Was wir brauchen, ist eine humanistische, umfassende Bildung, die uns befähigt, der Welt gerecht zu werden und selbstkritisch zu sein. Es ist eben nicht alles entweder schwarz oder weiß. Lernen und neue Dinge zu erfahren macht einfach Spaß. Deshalb wollen wir im Kindermuseum zeigen, wie vielfältig ein Thema sein kann.
Kannst du das an einem Beispiel erklären?
Man weiß ja, die einen lernen besser über das Hören, die andern über das Sehen, und unsere Ausstellungen nähern sich auf vielfältige Weise einem Thema an. Mit allen Sinnen, mit Hand und Herz lässt sich am besten lernen. Als damals die Fußball-WM in Deutschland war, haben wir eine Fußball-Ausstellung gemacht und darin ziemlich viel Physik untergebracht, nämlich: Wie fliegt ein Ball eigentlich? Wie kriegt man eine Bananenflanke hin? Oder: Wie kriegt man etwas wirklich rund? Oder: In welcher Sprache redet eine internationale Fußball-Mannschaft untereinander? Und wer näht denn die Fußball-Trikots? Wir hatten auch einen Fußball mit den Unterschriften der ganzen Nationalmannschaft und eine Torwand usw.
Oder zum Beispiel in der Ausstellung „Großmutters Alltagsleben“: Da waschen die Kinder Wäsche in der Waschwanne, und dann sagt ein Kind: „Ich habe jetzt so Schrumpelfinger – wie kommt das denn?“ Und dann fangen wir zusammen an zu überlegen, lernen etwas über den Körper und reden plötzlich gar nicht mehr über die 50er Jahre.
Warum habt ihr für eure Einrichtung den Begriff „Museum“ gewählt, den man nicht unbedingt mit Kindern und mit praktischen Aktivitäten verbindet?
Es ist so, dass die Kindermuseen international „Museum“ heißen, überall. Und wir haben gedacht, dass müssen die Deutschen jetzt mal lernen. Außerdem hat der internationale Museumsverband Museen so definiert, dass Vermittlung und Aktivitäten eine große Rolle spielen. Das wird ja jetzt auch schon in den staatlichen Museen mehr gemacht.
Wie kam es, dass ihr den Standort Osdorf gewählt habt?
Mein Mann, der als Architekt unter anderem Kirchen saniert, ist im Zuge eines Kirchenbautags in Hamburg auf die Kirche im Osdorfer Born gestoßen, die Kirchengemeinde wollte damals aus finanziellen Gründen einen großen Teil ihres Gebäudes abgeben. Er kam nach Hause und sagte: „Ich habe einen Standort für dein Museum gefunden.“ Und auch das Bezirksamt Altona war daran interessiert, dass hier kein Leerstand entstand, und hat das Projekt unterstützt.
Wie habt ihr, also der Verein Kindermuseum Hamburg e. V., am Anfang das nötige Geld zusammengebracht?
Auch da hat uns das Bezirksamt sehr geholfen, indem wir Gelder aus den Bezirken, die am Ende des Jahres nicht ausgegeben worden waren, zur Verfügung gestellt bekommen haben; damit konnten wir den Umbau realisieren und haben dann 2004 eröffnet.
Vor wenigen Wochen ist das von dir konzipierte zweite Museum, das „urbaneo“, in der Hafencity eröffnet worden. Wie ist das für dich, dass du gerade jetzt, wo dieses Projekt Realität wird, aufhörst?
Das war so geplant. Ich wollte das Unternehmen in trockene Tücher bringen und dann aussteigen. Meine Nachfolgerinnen sollten das selbst gestalten können. Sie haben zum Beispiel das urbaneo stärker auf Jugendliche ausgerichtet und auf Partizipation. Es gibt zwei Nachfolgerinnen: Judith Rädlein ist für das urbaneo zuständig und macht die gesamte Geschäftsleitung, und Kerrin Hoffmann leitet das KL!CK Kindermuseum. Ich will nicht sagen, dass es mir leichtgefallen ist aufzuhören, aber es fällt einem leichter, wenn man so gute Nachfolgerinnen hat.
Hamburg kann sich im Übrigen etwas darauf einbilden, dass es die einzige Stadt ist, die ein Kindermuseum mit zwei Standorten hat; die Hamburger Kulturbehörde hat uns sehr unterstützt und damit unsere gute Arbeit anerkannt. Wir hatten im KL!CK ursprünglich mit 30.000 BesucherInnen pro Jahr kalkuliert und haben inzwischen über 50.000.
Welche Projekte oder Pläne hast du selbst jetzt noch?
Ich denke, die Arbeit mit den Kindern überlasse ich jetzt den jungen Leuten. Ich werde mich mehr im Bundesverband engagieren, da wird die ganze Arbeit ehrenamtlich gemacht. Was ich daran sehr spannend finde: Wir unterstützen Initiativen für Kindermuseen nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern, im Augenblick etwa berate ich Initiativen in Polen, Ungarn und Rumänien.
Außerdem haben wir acht Enkelkinder, mit denen unternehmen wir gerne etwas. Und: Mein Mann und ich, wir wandern gerne. Wir sind, in Etappen von bis zu vierzehn Tagen, die gesamte Elbe entlang gewandert und haben uns jetzt als nächstes den Rhein vorgenommen.
Vielen Dank, Margot, für das Ge-spräch und alles Gute!