Stadtteilmagazin für Osdorf und Umgebung

Ein Warnsignal“

Sören Platten (SPD) über die niedrige Wahlbeteiligung in Lurup und Osorf
 
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3,2 Prozent betrug die Wahlbeteiligung im Wahllokal Kroonhorst 25 bei den Europa- und Bezirkswahlen im Mai. In den umliegenden Wahlbezirken sah es nicht viel besser aus. Zum Vergleich: Im Wahllokal Goosacker 41 gaben 46,9 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Dabei war in ganz Hamburg die Wahlbeteiligung bei den Wahlen zur Bezirksversammlung im Vergleich zu 2019 von 58,0 Prozent auf 62,2 Prozent ebenso gestiegen wie die Briefwahlquote von 32,8 auf 38,9 Prozent.

Die Bezirksversammlung Altona hat am 26. September deshalb Maßnahmen zur Stärkung der Bürgernähe und zur Bekämpfung von Politikverdrossenheit beschlossen. Insbesondere in Lurup und Osdorf wird nun verstärkt auf neue Formen der Bürgerbeteiligung gesetzt. Ein weiterer Schwerpunkt des Antrags ist die Einbindung von Schulklassen in regelmäßige Gesprächsrunden, um insbesondere junge Menschen stärker für Politik zu begeistern. Zusätzlich wird die digitale Übertragung der Sitzungen ausgebaut. Neben den Bürgerdialogen und dezentralen Sitzungen wird auch verstärkt darauf hingearbeitet, dass die politischen Inhalte und Entscheidungen der Bezirksversammlung in einfacher und zugänglicher Sprache vermittelt werden.

Der Westwind sprach mit Sören Platten (36, SPD-Kreisvorsitzender in Altona), auf den der Antrag zurückgeht.

Herr Platten, Sie wollen die Altonaer Bezirksversammlung näher zu den Bürgern bringen. Ist das Bezirksparlament aus Ihrer Sicht zu weit von den Menschen entfernt?
Sören Platten: Die niedrige Wahlbeteiligung muss man als Warnsignal deuten. Es gibt Unzufriedenheit, wenn die Menschen nicht abgeholt werden.

Als in Osdorf noch regelmäßig der Regionalausschuss tagte, sind viele Bürger gekommen und dort auch zu Wort gekommen.
Es ist ein riesiger Erfahrungsschatz, den es in den Stadtteilen gibt. Deswegen ist es klug, dorthin zu gehen.

Momentan scheint das Interesse gering. Die Zugriffszahlen im Livestream der Bezirksversammlung waren selbst während der Pandemie überschaubar.
Natürlich ist es ein Geben und Nehmen. Ich wünsche mir, dass mehr Bürgerinnen und Bürger mitmachen, weil schon sehr wichtige Entscheidungen getroffen werden. Aber Politik hat die Aufgabe, das Angebot niedrigschwelliger zu machen. Demokratie lebt davon, dass die Leute mitmachen. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass die Arbeit der Parlamente und Ausschüsse stärker wahrgenommen wird.

Wie sollen die von Ihnen angesprochenen Bürgerdialoge konkret laufen?
Wenn ein Thema in der Bezirkspolitik ansteht – wie Busspuren, Verkehrsmaßnahmen, Bauprojekte, was passiert auf dem Max-Bahr-Gelände –, das die Menschen betrifft, dann erwarte ich, dass die Menschen frühzeitig an einen bestimmten Ort eingeladen werden. Dass vorher Informationen bereitgestellt werden, worum es dabei geht. Und dass dann erklärt wird, und den Menschen Gelegenheit gegeben wird, sich dazu auszutauschen und ihre Meinung einzubringen. Mir ist extrem wichtig, zu betonen, in einer Art und Weise, die zeitgemäß ist und der Lebensrealität der Menschen gerecht wird. Formell ist die Politik ja jetzt schon verpflichtet, in vielen Bereichen Bürgerbeteiligung zu machen. Mein Eindruck ist, dass dies nicht in der Breite so wahrgenommen wird, wie es gut und wünschenswert wäre.

Wie erreicht man mehr BürgerInnen?   
Man muss schauen, dass es bei denjenigen, die man erreichen will, auch ankommt. Man müsste sich auch bei den Kanälen, auf denen das beworben wird, breiter aufstellen. Es reicht nicht, pflichtschuldig einige Plakate aufzuhängen. Man müsste zum Beispiel Postwurfsendungen machen oder es hier im Westwind veröffentlichen. Online schauen, dass es zu den Menschen kommt. Das wäre der erste Schritt.

Und wie ginge es weiter?
Dann muss es ein gutes Format auf Augenhöhe sein, bei dem Vertreterinnen und Vertreter des Bezirksamts Rede und Antwort stehen. Ganz wichtig ist, dass man die Veranstaltung zu einem Zeitpunkt macht, an dem auch noch Vorschläge aufgenommen werden können. Es bringt nichts, wenn ohnehin schon alles fertig ist und man die Menschen von oben herab informiert und sagt: „So ist das jetzt. Und ihr könnt Fragen stellen.“

Also ist Bürgerbeteiligung für Sie Bürgermitbestimmung?
Mir geht es um Mitbestimmung in dem Sinne, dass man als Bürger auch noch Einfluss auf die Entscheidung nehmen und sich einbringen kann. Das ist etwas anderes als Information, die auch wichtig ist. Ich halte das auch für eine Chance für alle Beteiligten. Die Bürger, die es betrifft, die dort wohnen, haben doch die besten Vorstellungen und Ideen, weil sie den Ort genau kennen. Das ist doch eine wertvolle Ressource. Passiert das nicht, kann sich Unmut in der Bevölkerung aufstauen, was nicht sein müsste. Die allermeisten Leute sind super konstruktiv, sie wollen ihre Nachbarschaft und ihr Umfeld mitgestalten. Sie reagieren zu Recht verärgert, wenn ihnen einfach etwas vorgesetzt wird. Als Menschen ist uns die Fähigkeit zum Kompromiss, zu Ausgleich und zu kreativen Lösungen gegeben. Man kriegt nicht 100 Prozent für sich selbst, sondern es ist ein Geben und Nehmen. Mit solchen Kompromissen können am Ende alle leben. Aber das braucht Zeit und muss gut gemacht werden. Ich bin davon überzeugt, dass man das fast immer hinbekommen wird. Es mag Einzelne geben, mit denen das nicht geht. Aber die große Mehrheit ist willens, eine faire Einigung zu finden. Und das kann am Ende zu einer Befriedung führen.

Wozu führt mangelnde Bürgerbeteiligung aus Ihrer Sicht?
Insgesamt nehme ich in der Bevölkerung wahr, dass sich die Menschen wundern, nicht in mehr Fragen und Themen einbezogen zu werden. Und da staut sich Unzufriedenheit auf. Das ist manchmal fast so etwas wie das von mir bereits angesprochene Ohnmachtsgefühl. Die Aufgabe von Politik und Verwaltung ist es, Orte zu finden, an denen man diskutieren und seine Meinung sagen kann, und dass dann daraus auch etwas resultiert. Wir sind uns in der Demokratie doch grundsätzlich einig, dass alle Gewalt vom Volk ausgeht. Das müssen wir auch bei Vor-Ort-Entscheidungen wiederbeleben.

Wie würde man das bei einem heißen Eisen wie Pop-up-Busspuren machen, die von der Verkehrsinitiative Starten:Bahn West seit langem gefordert werden?
Es bräuchte eine Reihe von Veranstaltungen, wo einmal der Status quo gesichtet wird. Dass einmal Fachleute aus den Behörden das ohne Fachchinesisch uns Laien darlegen. Und dann sollte es die Möglichkeit geben, dass alle Betroffenen, Anwohner, lokale Initiativen und Vereine sich dazu äußern können. Dann muss es eine moderierte Diskussion geben, durch die es zu einer Lösung kommt, oder es zeichnen sich Alternativen ab. Vielleicht kommt man auch zu dem Punkt, dass doch politisch darüber entschieden werden muss. Das ist dann auch Demokratie. Auf dem Weg dahin gibt es eine große Möglichkeit, dass man Einvernehmen herstellen kann. Dass auf jeden Fall ein guter Informationsfluss da ist. Dann herrscht auch darüber Transparenz.

 

 

Viele Vorschläge der Borner Runde haben nichts bewirkt. Wer sich hier engagiert, bekommt nicht immer den Eindruck, dass es lohnenswert ist, sich für den Stadtteil einzusetzen.
Ich finde, es ist die Aufgabe von Politik, Verantwortung zu übernehmen und die Themen, die aus dem Stadtteil kommen, dann auch umzusetzen. Seien es eine Toilette im Bornpark, die Unterstützung des Bürgerhauses Bornheide oder bessere Busverbindungen. Es geht nicht, dass man die Menschen beteiligt und fragt, was ihre Themen sind, und sich dann nicht darum kümmert. Wer A sagt, muss auch B sagen.

Wir haben den Eindruck, dass die Interessen des Osdorfer Born im Bezirk durchaus wahrgenommen, im Hamburger Rathaus dann aber zurückgestellt werden. Was können Sie als Kreisvorsitzender der Regierungspartei tun, damit sich das ändert?
Es ist eine Frage der Prioritätensetzung. Am Ende geht es immer um das Verteilen von Ressourcen. Sei es politische Aufmerksamkeit, sei es finanziell. Mir ist extrem wichtig, dass die Themen aus dem Osdorfer Born im Hamburger Rathaus umgesetzt werden. Wir haben leider eine grün geführte Bezirksbehörde, die sich in Prestigeprojekten verirrt, aber die ganz normalen Themen aus den Augen verliert.

Die Kritik war mit Blick auf das Hamburger Rathaus gemeint, nicht auf das Altonaer. Die Toilette im Bornpark haben Bezirksversammlung und Bezirksamt stark unterstützt. Wie verschafft sich Altona stärker Gehör?
Ich persönlich bin jede Woche mit den Mitgliedern des Senats in Kontakt zu Themen, die Altona betreffen. Ich versuche „Druck zu machen“ und mich einzusetzen. Das ist der Weg. Ein Beispiel: Letze Woche habe ich mit unserem Innensenator Andy Grote darüber gesprochen, wie wir die Elbe sicherer machen können nach den tragischen Badeunfällen. Wir haben da gemeinsam eine Lösung gefunden und gute erste Schritte auf den Weg gebracht.

Man hat das Gefühl, Altona hat keine gute Lobby.
Leider ist das manchmal so. Wir haben eine Bezirksamtsleiterin, die sich eher als Mitarbeiterin der Bezirksverwaltung versteht und nicht als eine Lobbyistin von Altona. Und das ist natürlich schade. Ich stehe zu unserem Senat, werde aber nicht müde, den Finger in die Wunde zu legen.

Es gab Druck aus dem Hamburger Westen, was den gleichzeitigen Baubeginn der U5 in Ost und West betraf. Gibt es in der Hamburgischen Verfassung einen Artikel, der festlegt, dass große Bauprojekte im Osten begonnen werden müssen?
Den gibt es nicht. Diese Entscheidungen liegen Jahre oder teilweise Jahrzehnte zurück. Ich stehe dafür, dass Altona seine Stimme findet. Ich setze mich zum Beispiel im Landesvorstand der SPD und im Senat dafür ein, dass die S-Bahnlinie schon jetzt an der Holstenstraße aus dem bestehenden Netz ausgefädelt wird. Und wir würden es auch gut finden, wenn die U5 am Ende bis zum Eckhoffplatz geht – und auch von dort angefangen wird, zu bauen. Damit auf beiden Seiten angefangen wird, die U- und S-Bahn zu bauen. Denn es gibt in der Tat kein Naturgesetz, immer erst im Osten zu bauen. Ich mache diese „Lobbyarbeit“ für den Hamburger Westen mit großer Freude.

Gibt es für ärmere Stadtteile keine Lobby?
Das darf auf keinen Fall so sein. Deswegen sprechen wir jetzt und bin ich häufig im Osdorfer Born und höre den Bewohnerinnen und Bewohnern zu. Alle Themen muss man auf unterschiedlichen Wegen anstoßen. Einige kann der Bezirk entscheiden, bei anderen, oft wenn es ums Geld geht, entscheidet die Bürgerschaft. Oder man muss Geld aus dem Bund über den Bundestag einwerben. Diese Klaviatur müssen wir spielen, um möglichst viel nach Altona zu holen. Die derzeitige Bezirksamtsleitung hat ihre Schwerpunkte nicht am Osdorfer Born, soviel kann ich sagen. Hier gibt es ganz andere Mobilitätsanforderungen als in einem Stadtteil, wo ich mir aussuchen kann, welche S-Bahnstation ich nutze. Aber jetzt ist sichergestellt, dass viel Geld für die Planung der S6 ausgegeben wird. Das gab es so vorher noch nicht.

Interview Matthias Greulich und Andreas Lettow

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