Stadtteilmagazin für Osdorf und Umgebung

„Öffnen Sie Ihre Herzen“

Beim Info-Abend über die neue Flüchtlingsunterkunft auf dem Parkplatz des Botanischen Gartens
waren die Befürworter in der Mehrheit

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Es war kurz vor Schluss der zweistündigen Info-Veranstaltung über die geplante Flüchtlingsunterkunft am Botanischen Garten in der Aula des Gymnasiums Christianeum. Ein Mann forderte die etwa 250 Teilnehmer auf, sich zu erheben, falls sie für die Errichtung seien. Es war die große Mehrheit, die aufstand. Es schien ein klares Zeichen zu sein, dass auch die betuchteren Elbvorortler durchaus ein Herz für geflüchtete Menschen haben, die im zweiten Quartal 2025 nach Osdorf ziehen sollen.

Während auf dem Podium neun Experten saßen – von der Altonaer Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg über die Staatsrätin Petra Lotzkat bis zu Gregor Stein, dem Geschäftsführer vom Unternehmen Fördern und Wohnen (das die meisten Flüchtlingsunterkünfte betreut), meldeten sich manche Bürger berührt zu Wort.

Zum Beispiel eine Frau aus Lurup, Nachbarin einer ähnlichen Unterkunft am Kroonhorst. Sie bat mit Tränen in den Augen: „Öffnen Sie Ihre Herzen.“ Man freue sich mit, wie dankbar die Geflüchteten für die Hilfe seien. Eine afrikanische Frauengruppe habe ihr gezeigt, wie soziales Denken gehe, was ja in Deutschland „offenbar nicht so einfach ist“.

Ein Mann, 1948 geboren, erinnerte sich, wie er als Kind erlebt habe, dass in seinem Elternhaus neben seiner sechsköpfigen Familie acht Flüchtlinge wohnten und alle vor der einzigen Toilette Schlange standen. Er befand, man habe trotzdem viel zurückbekommen und es sei ein „guter Platz“ für die neue Flüchtlingsunterkunft für 144 Menschen. Und eine weitere Frau sagte, es gehe vor allem „um das Menschbleiben“.
Die größte Flüchtlingswelle seit dem zweiten Weltkrieg haben die Experten mit Zahlen belegt. 5.800 Menschen kommen allein in Hamburg in diesem Jahr zu den über 50.000 (aus der Ukraine sind es allein 42.000) hinzu. Die derzeitigen Unterkünfte sind zu 98 Prozent ausgebucht. 1.000 Plätze habe man seit 2022 auf ihre Eignung geprüft, sagte Staatsrätin Lotzkat. Man würde „zuschlagen“, sofern der Ort einigermaßen geeignet sei. Denn es gibt auch noch viele Notunterkünfte in Zelten, Containern, Hallen und Schulen.

Die Experten haben ausgeführt, was die neue Flüchtlingsunterkunft auf dem Parkplatz des Loki-Schmidt-Gartens (sie kostet für das zunächst für fünf Jahre angelegte Projekt etwa 10 Millionen Euro) alles beeinhaltet. Es sei zwar eine „eigenständige Haushaltsführung“ vorgesehen, aber man brauche eine Kinderschutzreferentin, jemanden für Krisenintervention, Medi-Lotsen, um die Menschen durch die medizinische Versorgung zu steuern, dazu eine Orientierungsberatung und einen technischen Dienst vor Ort.

Schulen und Kitaplätze seien in Flottbek gut vorbereitet, sagt Uta Köhne von der Schulbehörde. Die jungen Kinder werden ohne Vorkenntnisse in der Kita und in den ersten und zweiten Klassen dem deutschen „Sprachbad“ ausgesetzt, weil sie besonders schnell lernen. Bezirksamtleiterin von Berg hob die Kirchen (besonders die Luthergemeinde) und die Sportvereine („Sport ist der Integrator Nummer eins“) hervor. Und beim Bezirksamt ist Lars Schmidt-von Koss für Ehrenamtliche zuständig, die bei der Integration helfen wollen (lars.schmidt-vonkoss@altona.hamburg.de).
Dort sind viele Mitglieder der zweiten Flottbeker Bürgerinitiative „Flottbek ist bunt“ tätig, die an diesem Info-Abend offenbar die Mehrheit im Publikum bildete. Die andere Initiative „Flottbek für adäquate Flüchtlingsunterkünfte“, die sich gegen den Standort aussprach, ging da ein bisschen unter. Trotzdem will sie, die am Dienstag einen Verein mit demselben Namen gründete, weiter ein Bürgerbegehren gegen diesen Standort anstreben und auch weiterhin dagegen klagen.

Ihre Vorschläge – etwa ein 150 Meter entferntes Gelände des Instituts für Pflanzenwissenschaften und Mikrobiologie (IPM), das ehemalige Max Bahr-Gelände in Osdorf oder das Grundstück Villa Mignon/Osdorfer Landstraße – habe man laut Lotzkat geprüft, es habe aber gravierende Fakten dagegen gegeben. Ein Besucher des Info-Abends warf einem Mitglied der Bürgerinitiative für adäquate Flüchtlingsunterkünfte vor „unethisch“ zu sein. Man solle doch so ehrlich sein zu sagen, man wolle die Geflüchteten nicht vor seiner Haustür haben. 

Jörg Marwedel

In der Aula des Christianeums waren etwa 250 Menschen, die sich für die Errichtung der Flüchtlingsunterkunft in Flottbek interessierten
Auf dem Podium saßen neun Experten für Flüchtlingsfragen.
Malte Stehr (stehend) von der Stabsstelle Flüchtlinge führte durch die zweistündige Veranstaltung
 
Fotos: Jörg Marwedel

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