Stadtteilmagazin für Osdorf und Umgebung

50 Jahre Bildung für alle (Teil 2)

Die Geschwister-Scholl-Stadtteilschule wird 50 Jahre alt

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Fortsetzung des Artikels aus Westwind 7/8. In Hamburg war im Jahr 1968 die erste Gesamtschule gegründet worden. Allerdings führten die Diskussionen über eine „Schule für alle“ zu erbitterten Auseinandersetzungen in der Elternschaft wie zwischen den Parteien. 1977 schließlich beschloss die Bürgerschaft  ein „Elternrecht auf Wahl der Schulform“. Was auf den ersten Blick als Erfolg der Gesamtschulbewegung erschien, ging allerdings an deren eigentlichem Anliegen vorbei: Denn statt dass die integrierte Schulform das dreigliedrige Schulwesen ersetzt hätte, wurde sie in einem klassischen politischen Kompromiss diesem schlicht hinzugefügt, so dass die Stadt Hamburg den ViertklässlerInnen neben Hauptschule, Realschule und Gymnasium die Gesamtschule als vierte Schulform zur Auswahl anbot.

Vom Gymnasium 
zur Gesamtschule

Das Elternrecht auf Wahl der Schulform führte 1979 zur Umwandlung von zwölf Schulen in Gesamtschulen. Das Gymnasium Glückstädter Weg war dabei der einzige Fall in Hamburg, bei dem ein Gymnasium auf Antrag der schulischen Gremien selbst zur Gesamtschule wurde. Einige Eltern allerdings zogen vor Gericht und erreichten, dass ihren an einem Gymnasium eingeschulten Kindern zugestanden wurde, bis zum Abitur am Gymnasium zu verbleiben: Die Schule wurde also geteilt in Gesamtschule und Gymnasium, der damalige Schulleiter Horst Skerhutt leitete gleichzeitig beide Schulen. Ab 1987 gab es dann nur noch die Gesamtschule Glückstädter Weg.

So war es im Übrigen von Anfang an geplant gewesen: Nach den Vorstellungen des Architekten, Prof. Jos Weber, sollte die Schule im Osdorfer Born eine Hamburger „Superschule“, nämlich nicht nur Gesamt-, sondern auch Ganztagsschule werden; das Konzept hatten er und der spätere Leiter der Abteilung Gesamtschulen in der Schulbehörde, Jürgen Riekmann, in dem Band „Die Superschule?“ entwickelt. Drei solcher „Superschulen“ wurden gebaut: Steilshoop, Mümmelmannsberg und eben „Hamburg-Lurup 17“. (Warum „Lurup“? Nicht allen in Osdorf ist bewusst, dass ein Teil des Osdorfer Borns, unter anderem das Schulgelände, auf Luruper Gebiet liegt, die Grenze verläuft längs des Glückstädter Wegs.) Das Projekt Ganztagsschule wurde vom Senat aus finanziellen Gründen schnell wieder gestrichen; dieser Schritt erfolgte erst im Jahr 2002.

Die Schule hatte im Übrigen noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen: etwa ein von Anfang an undichtes Dach, was zeitweise das Aufstellen von Eimern in den Klassenräumen erforderlich machte; die Versuche, der Undichtigkeiten Herr zu werden, kosteten die Schulbehörde Millionen. Die miserable Akustik musste durch den Einbau schalldämpfender Deckenkonstruktionen verbessert werden. Die aus Eternitplatten gefertigte Außenfassade erwies sich nicht nur als zerbrechlich, sondern auch als asbesthaltig. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen.

Schule im Stadtteil

Von diesen baulichen Mängeln abgesehen wurde mit der neuen Schule jedoch ein zukunftsweisendes Konzept verfolgt: Die Schule sollte durch vielfache Beziehungen im Stadtteil verankert werden. In einer Planskizze Jos Webers wird der Gedanke deutlich.

Diesem Konzept folgend sollten Teile des Gebäudes wie „Pausenhalle, Aula, Essensbereich, Sporthalle und evtl. ein Schwimmbecken so in einer großen Halle zusammengefasst werden, dass die Öffentlichkeit diese Räumlichkeiten … als Mehrzweckhalle für Sport, Feste, Versammlungen, Theateraufführungen usw. benutzen“ könne. Ein Teil dieses Konzepts wurde auch umgesetzt, so die Verbindung mit dem Haus der Jugend, der Sport- und der Bauspielplatz (neben dem ehemaligen Sportplatz), der Weg zu den Geschäften und zur Bushaltestelle. Ein Schwimmbad wurde nicht gebaut; die Sporthalle stand zwar den Sportvereinen, auch für überregionale Sportveranstaltungen, zur Verfügung, die Idee eines multifunktionalen Raums für den Stadtteil wurde aber nicht weiter verfolgt. Dass wiederum der Weg zur U-Bahn, den die Skizze vorsieht, bis zum heutigen Tag im Nichts endet, ist schon gar nicht den Schulplanern anzulasten …

Fortschrittliches Konzept

Festzuhalten bleibt außerdem der fortschrittliche pädagogische Ansatz der Planer. „Was bedeutet eigentlich das Planen von Schulen?“, schrieb Jos Weber im „Superschule“-Band: „Wir planen und bauen für deren Benutzer, nicht für Politiker, Behörden und Architekten. Warum reden die Politiker, Behörden, Architekten (d. h. die, die Schulen nicht täglich benutzen) nur unter sich beim Planen und Bauen von Schulen; warum nicht gemeinsam mit denen, die die Schulen täglich benutzen (müssen): den Kindern, den Lehrern … und noch mehr? Das muss ja schiefgehen!“

Riekmann und Weber dokumentieren dann, wie sie Schulunterricht beobachtet und welche Antworten auf ihre Fragen – etwa nach Chancengleichheit, Zensurengebung und der Größe von Schulen – sie von SchülerInnen, Eltern und einem Kinderarzt erhalten haben. Es ist den Autoren der „Superschule“ hoch anzurechnen, dass sie einen  Ansatz gewählt haben, der 40 Jahre später bei den Planungen für den Neubau („Phase Null“) seine weiterentwickelte und aktualisierte Fortsetzung fand.

Die pädagogische Arbeit an der Geschwister-Scholl-Gesamtschule entsprach diesen Ideen und Impulsen: Inklusion, also die Einbeziehung von Kindern mit speziellem Förderbedarf in die Regelschule oder Projektwochen, Kooperation der künstlerischen Fächer und Darstellendes Spiel als Abiturfach, Stadtteilprojekte und enge Zusammenarbeit mit dem Haus der Jugend, nicht zuletzt die programmatische Namensgebung, der eine Recherche zum Nationalsozialismus vorausgegangen war. Nicht nur baulich war die Schule nie „fertig“, sie entwickelte sich stetig entsprechend den Bedürfnissen der SchülerInnen und Schüler.

„Eine Schule für alle“

Die Entwicklung der weiterführenden Schule im Osdorfer Born vom Gymnasium zur Gesamtschule bzw. Stadtteilschule ist nicht nur von lokalem Interesse, spiegeln sich in ihr doch wesentliche Etappen der westdeutschen und der Hamburger Bildungspolitik wider. Wenn auch in den vergangenen 50-60 Jahren die Erkenntnis darüber gewachsen ist, von welch zentraler Bedeutung Chancengleichheit in der Bildung für den Einzelnen wie für die Gesellschaft ist, so wird doch von Teilen ebendieser Gesellschaft hartnäckig ein Schulwesen verteidigt, das nach „Begabungen“, in Wirklichkeit aber vor allem nach sozialer Zugehörigkeit sortiert.

Mit der 2010 erfolgten Einführung 
der Stadtteilschule als zweiter Säule neben dem Gymnasium ist die Forderung nach einer Schule des gemeinsamen Lernens aber keineswegs erfüllt, die Diskussion um die Weiterentwicklung des Schulwesens zu einer Schule für alle wird und muss weitergehen.

Frieder
Bachteler

 

 
 
Die Schule aus der Luft

 

Grafik aus „Die Superschule?“

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