Stadtteilmagazin für Osdorf und Umgebung
Holger Sülberg ist seit 15 Jahren Mitglied im Verkehrsausschuss der Altonaer Bezirksversammlung. Der Grüne spricht im Westwind-Interview über das überraschende Aus für ioki im Westen, Kritik am Verkehrssenator und Busspuren auf der Stre-Ba-Lu.
WW: Herr Sülberg, seit Dezember fährt die Metrobuslinie 16 dank eines Antrags der Bezirkspolitik endlich zum Schenefelder Platz (siehe Westwind Dezember 2022). Der Bus hält alle 30 Minuten am Osdorfer Born, ab dem Elbe Einkaufszentrum fährt er alle zehn Minuten in die Innenstadt. Wird sich die grüne Bezirksfraktion in Altona für eine Verkürzung des Takts auf der gesamten Linie einsetzen?
Holger Sülberg: Wünschenswert wäre das auf alle Fälle. Wir haben jetzt den Hamburg-Takt als großes Vorbild, der stärker angebotsorientiert sein soll. Speziell bei der Buslinie 16 haben wir das im Februar 2022 schon einmal beantragt. Die Antwort der Behörde war: Das machen wir nicht, das haben wir früher schon mal probiert. Weil die Nachfrage Richtung Schenefeld gar nicht vorhanden ist. Im Zuge der Diskussion um ioki und Moia haben wir einen erneuten Antrag geschrieben und diese Forderung im September 2022 erneuert. Nun gibt es diese Verlängerung, was mich sehr freut. Insbesondere wegen der Anbindung in Richtung Altonaer Zentrum. Die Verbindung ist noch nicht optimal, aber wir tasten uns gerade heran. Und ich kann mir durchaus vorstellen, das in dieser Hinsicht weiter zu befördern.
WW: Der grüne Verkehrssenator redet gerne von der „äußeren Stadt“. Dann wäre ein Teil von Osdorf in der inneren Stadt, ein anderer außerhalb. Wie passt das zusammen für eine Großsiedlung mit mehr als 12.000 Bewohnern?
HS: Ich habe mit dem Begriff der inneren und äußeren Stadt so meine Probleme, die genaue Grenze zu ziehen. Entscheidend ist, dass die Menschen dort, wo sie wohnen, ein Angebot des öffentlichen Nahverkehrs haben müssen. Ein Angebot, das sie dazu bringt, möglichst auf das eigene Auto zu verzichten, um die Straßen zu entlasten und uns bei der Mobilitätswende ein Stück weit zu helfen. Der Ersatz der Buslinie 16 ist ein schönes Ergebnis. Aber mir ist voll bewusst, dass das nicht der Ersatz für ioki sein kann. Auch kein Trostpflaster oder ähnliches, sondern eine gute Ergänzung, die wir schon lange haben wollten.
WW: Zum Jahresende wurde ioki in Osdorf und Lurup eingestellt. Kam das für Sie überraschend?
HS: Das war ein Verkehrsversuch, der von Anfang an als solcher auch beschrieben wurde. Das heißt, es wird auch enden. Aber es war ein Versuch mit enormem Erfolg. Wir haben ja unglaubliche Zahlen gehabt. Ich glaube, es war sogar der erfolgreichste ioki-Versuch in ganz Deutschland. Weil es einen unglaublichen Bedarf in Osdorf und Lurup an derartigen Fahrten gibt. Daran sieht man, dass es hier eine Unterversorgung im öffentlichen Nahverkehr gibt. Egal, ob das nun äußere Stadt ist oder nicht. Wir sind schon ein bisschen überrascht gewesen über die jetzt schon erfolgte Beendigung des Versuchs Ende letzten Jahres. Immerhin – ich sage das jetzt mit Vorsicht – gibt es eine Fortsetzung mit Moia. Wir haben bei Moia einige Nachteile, von denen einige behoben worden sind.
WW: Es ist sehr viel teurer.
HS: Das ist der größte Nachteil. Es gab Zugeständnisse beim Preis, aber nicht vergleichbar mit ioki. Immerhin gibt es jetzt Fahrzeuge, damit Menschen im Rollstuhl abgeholt werden können. Auch sehbehinderte Menschen können Moia nun über die App buchen. Beides ist wichtig für ganz Hamburg, denn Moia fährt ja bekanntlich nicht nur in Altona. Das ist schon ein Schritt in die richtige Richtung. Egal ob ioki oder Moia: Das Ziel in Hamburg ist es, das System der On-Demand-Verkehre (nachfragegesteuerte Verkehrsangebote, d. Red.) zu etablieren. Dabei tastet sich die Stadt Stück für Stück ran und erweitert die Gebiete immer mehr.
WW: Im Osdorfer Born ist Mobilität mit einer sozialen Frage verbunden. Es gibt Kritik aus dem Stadtteil, dass die Grünen das zu wenig berücksichtigen.
HS: Worin besteht denn die Kritik genau?
WW: Dass immer noch viele Menschen keinen Schnellbahnanschluss haben und sich an der Situation des öffentlichen Nahverkehrs auch sonst wenig verbessert hat.
HS: Diese Kritik ist mir so noch nicht bezogen auf die Grünen entgegengebracht worden. Auch nicht von der Borner Runde. In dieses Gebiet gehen ziemlich viele Gelder. Was den Verkehr betrifft machen wir uns – auch ich persönlich – seit Jahren für die S32 stark. Es sind viele Beschlüsse gefasst worden, in denen wir immer wieder gefordert haben, dass ein Schnellbahnanschluss kommen muss. Wir haben mit unserem Engagement gemeinsam mit anderen Fraktionen in Altona überhaupt erst dafür gesorgt, dass das wieder ein Thema für Hamburg geworden ist – und nicht nur die Verlängerung der U5.
WW: Was tun Sie in der jetzigen Situation?
HS: Bis ein Bahnanschluss kommt, muss der Busverkehr intensiviert werden. Bei der Frage, wie es mit separaten Busspuren aussieht auf der Magistrale 2 haben wir ebenfalls einen Beschluss gefasst. Wir fordern ja auch, dass sich da etwas bewegen muss. Da sind wir dran, es wird ja nun eine Machbarkeitsstudie geben. Inwieweit sogenannte Bus-Rapid-Systems auf der Stre-Ba-Lu (Stresemannstraße, Bahrenfelder Chaussee und Luruper Hauptstraße, d. Red.) funktionieren und wie sich das auf andere Straßen auswirkt. Das geht an der Stresemannstraße los. Es gibt unterschiedliche Straßenbreiten, unterschiedliche Gegebenheiten und unterschiedliche Bevölkerungen in den Stadtteilen. Über die Verlängerung der Buslinie 16 haben wir als einen wichtiger Baustein gesprochen. In der Summe kann man meiner Meinung nach nicht sagen, dass wir gleichgültig gegen dem Osdorfer Born wären, was die Verkehre anbelangt.
WW: Warum wird die von der Hochbahn geplante Verlängerung der Expressbuslinie 22 von Hagenbecks Tierpark zum Osdorfer Born immer wieder aufgeschoben?
HS: Das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Wir hatten bislang die Logik, dass die Linien entweder Richtung Innenstadt oder Richtung Altona führen. Dass wir das durchbrochen haben, dass es jetzt den X3 und die Metrobuslinie 16 in dieser Form gibt, ist schon ein gewisser Paradigmenwechsel.
WW: Glauben Sie das im Ernst?
HS: Man kann mit Sicherheit immer mehr tun, das ist klar. Wir haben die Verlängerung des X22 vor einem Jahr beantragt, sind aber nur bei der Linie 16 durchgedrungen.
WW: Aber es geht doch darum, den Menschen sehr viel stärker Teilhabe zu ermöglichen.
HS: Dazu gehört die Mobilität, ganz klar. Es muss auch bezahlbar sein. Ich habe einige Schritte genannt, die wir in der Bezirkspolitik gehen. Wir können den Verkehrsbetrieben nicht sagen: Macht das jetzt. Wir können an die zuständigen Stellen Forderungen richten und auf sie einwirken. Und wir können die Strukturprojekte wie Science City Bahrenfeld, die neuen Wohngebiete und den neuen Fernbahnhof Altona mit in den Blick nehmen, damit die Schnellbahn tatsächlich kommt.
WW: Vor der Bundestagswahl 2021 wurde von Verkehrssenator Anjes Tjarks im Bürgerhaus Bornheide „Grüner Schwung für die Mobilität in Osdorf und Lurup“ versprochen. Sie sind also der Meinung, dass wir diesen Schwung schon sehen?
HS: Ich sehe ihn tatsächlich in einer ganzen Reihe von Fragen. Ein gutes Beispiel ist das Deutschlandticket und die HVV-Tarifreform. Menschen im Leistungsbezug fahren künftig für 25 Euro durch ganz Deutschland. Ich bin seit 2008 im Altonaer Verkehrsausschuss. Wenn ich die jetzige Lage mit den Jahren davor vergleiche, dann nehme ich dort schon einen anderen Schwung wahr. Ich glaube zum Beispiel, dass wir früher mit der Buslinie 16 die allergeringsten Chancen gehabt hätten mit unserem Antrag. Ioki war ein Versuch mit diesem Verkehrssenator, der sehr gut gelaufen ist und sehr viel Geld gekostet hat.
WW: Eingeführt wurde der Shuttle im Jahr 2018 vom parteilosen Senator Frank Horch (siehe Westwind September 2018).
HS: Aber wesentlich getragen vom grünen Verkehrssenator.
WW: Und von diesem in Osdorf und Lurup abgewickelt.
HS: Nein, von ihm wurde es im Wesentlichen durchgeführt.
WW: Bei der Demonstration zum Erhalt von ioki vor dem Lurup-Center (siehe Westwind Oktober 2022) war jedenfalls kein Grüner, der sich den Fragen gestellt hätte.
HS: Noch einmal: Ich glaube, dass die grüne Verkehrsbehörde sehr wohl die Teilhabe im Blick hat. Wie beschrieben werden die Dinge bei den On-Demand-Angeboten weiter vorangebracht. Ich finde es verständlich, wenn man fordert, dass für diesen Stadtteil sehr viel mehr passieren muss. Ich glaube nicht, dass die wesentlichen Ursachen in den letzten zweieinhalb bis drei Jahren beim jetzigen Verkehrssenator liegen. Dass man sich noch mehr Schwung wünscht, kann ich gut verstehen.
WW: Sie sind begeisterter Radfahrer. Nun hat Osdorf immer noch keine Stadtrad-Station. Darin läge eine Möglichkeit, den grünen Schwung sichtbar zu machen.
Wir fordern ja eine solche Station. Die Stadtrad-Stationen wachsen vom Zentrum nach außen. Damit auch genügend Leute mitfahren, damit die Auslastung stimmt. Wir sind da noch nicht so angekommen, wie es wünschenswert wäre. Aber auch Osdorf wird einbezogen werden.
WW: Das gilt auch für die Veloroute 1, deren Verlauf durch kein einziges Schild gekennzeichnet wird (siehe Westwind August 2020).
Sie finden praktisch nirgendwo Beschilderungen der Velorouten in Altona. Diese klassischen kleinen Schildchen, die an Laternenpfählen hängen, werden leider oft übersehen, wenn es viel Beschilderung gibt.
WW: In Eimsbüttel erleichtern diese Schildchen den RadfahrerInnen schon länger die Orientierung.
Im Bündnis für Rad- und Fußverkehr, beschlossen 2022 von Senat, den Bezirksämtern und den Bezirksversammlungen, gibt es den Hinweis auf ein völlig neues Ausweisungssystem der Velorouten. Es ist die Idee, das teilweise auf der Straße zu markieren. Ich fände solche Markierungen auf dem Boden sehr hilfreich. Leider sind die Behörden noch nicht so weit. Das wünsche ich mir ganz schnell in Altona.
Herr Sülberg, vielen Dank für das Gespräch.
Matthias Greulich